Medizinnobelpreis 1958: George Wells Beadle — Joshua Lederberg — Edward Lawrie Tatum

Medizinnobelpreis 1958: George Wells Beadle — Joshua Lederberg — Edward Lawrie Tatum
Medizinnobelpreis 1958: George Wells Beadle — Joshua Lederberg — Edward Lawrie Tatum
 
Der Nobelpreis ging an die drei amerikanischen Wissenschaftler für die Erforschung der Regulation chemischer Vorgänge durch die Gene und die Genetik von Bakterien.
 
 Biografien
 
George Wells Beadle, * Wahoo (Nebraska) 22. 10. 1903,✝ Pomona (Kalifornien) 9. 6. 1989; ab 1937 Professor an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien), 1946 Professor am California Institute of Technology in Pasadena, ab 1961 Kanzler, später Präsident der University of Chicago, 1968 Leiter des American Medical Association's Institute for Biomedical Research.
 
Joshua Lederberg, * Montclair (New Jersey) 23. 5. 1925; 1954 Professor für Genetik an der University of Wisconsin in Madison, 1957 dort Leiter der Abteilung für medizinische Genetik, 1959 Professor an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien), dort Leiter der Labors für molekulare Medizin, ab 1978 Präsident der Rockefeller University in New York.
 
Edward Lawrie Tatum, * Boulder (Colorado) 14. 12. 1909, ✝ New York 5. 11. 1975;, 1945 Assistenzprofessor für Botanik, später Professor. für Mikrobiologie an der Yale University in New Haven (Connecticut), ab 1948 Professor für Biologie an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Mancher Genetiker fragte sich, nachdem Hermann Muller (Nobelpreis 1946) entdeckt hatte, dass Röntgenstrahlen das Erbgut schädigen: »Weshalb kann ein kleiner Defekt so fatale Schäden anrichten?« Manchmal führen sogar Schäden an völlig unterschiedlichen Stellen zu den gleichen Fehlern oder Krankheiten. Da bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts niemand wusste, wie das Erbgut »funktioniert«, war an eine Aufklärung solcher Fragen nicht zu denken. Bis die amerikanischen Biologen George Beadle und Edward Tatum begannen, mit dem Schimmelpilz zu experimentieren, der sich bisweilen auf altem Brot ansiedelt. Mithilfe dieses winzigen Organismus konnten sie zeigen, wie das Erbgut dafür sorgt, dass Eiweiße und andere Substanzen entstehen, aus denen sich der Organismus aufbaut. Als dann auch noch der amerikanische Genetiker Joshua Lederberg zeigte, dass bei Bakterien die Vererbung ähnlich wie bei höheren Organismen funktioniert, war dem Nobelpreiskomitee klar: Die drei Forscher hatten den höchsten wissenschaftlichen Lorbeer verdient — 1958 bekamen sie die Auszeichnung.
 
 Komplexe und einfache Organismen
 
Das Erbgut enthält die Informationen, wie sich ein Lebewesen aufbaut. Dabei mischen sich bei höheren Organismen die Eigenschaften beider Elternteile. Allerdings lässt sich keineswegs einfach vorhersagen, welche Mischung sich aus den von den Eltern vererbten Bestandteilen ergibt. Da Menschen, Tiere und Pflanzen obendrein recht kompliziert aufgebaut sind, ist es bei höheren Organismen schwierig, solche Fragen der Vererbung im Detail zu untersuchen.
 
George Beadle und Edward Tatum wählten daher einen erheblich einfacheren Organismus für ihre Experimente, den Schimmelpilz, der zum Beispiel auf Brot wächst. Neurospora crassa, wie Biologen diesen Pilz nennen, ist eines der einfachsten Lebewesen im Superreich der Organismen mit einem Zellkern, zu denen Menschen und Tiere, Pflanzen, aber auch Pilze gehören. Daneben gibt es noch die Bakterien und sehr urtümliche Organismen, die so genannten Archaebakterien, die zum Beispiel in Salzlaken, glühenden Kohlehalden und Ölquellen leben.
 
Neurospora crassa gehört eindeutig in das gleiche Superreich wie Pflanzen und Tiere, verhält sich aber in vieler Hinsicht wie ein Bakterium. So lässt sich der Schimmelpilz im Reagenzglas vermehren. Er ernährt sich dort nur von Zuckern und Salzen, allenfalls ein paar Wachstumsfaktoren benötigt der Pilz noch zum Gedeihen. Neurospora vermehrt sich rasch, deshalb kann man auch Mutationen gut beobachten, die sich zum Beispiel mit Hilfe von Röntgenstrahlen auslösen lassen. Solche Veränderungen wiederum helfen den Biologen zu verstehen, wie das Erbgut funktioniert.
 
Nach vielen Mutationen und noch mehr Analysen hatten die Wissenschaftler dem Erbgut sein Geheimnis entrissen. Eigentlich ist alles ganz einfach. Die Substanzen, aus denen ein Organismus besteht, baut die Zelle aus einzelnen chemischen Reaktionen Schritt für Schritt auf. In diesem Satz liegt die gesamte Begründung für den Nobelpreis: Erstmals hatten Wissenschaftler nachgewiesen, dass Vererbung über chemische Reaktionen vermittelt wird.
 
 Vererbung bei Bakterien
 
Während eine solche Chemie schon längst vermutet wurde, überraschte die zweite Entdeckung ein wenig stärker: Ein Biomolekül oder ein Zellbestandteil wird im Normalfall nicht mit einem Schlag hergestellt, sondern Schritt für Schritt synthetisiert. Jede einzelne Stufe in diesem Prozess wird von einer Erbanlage kontrolliert, die Biologen Gen nennen. Ein Gen sorgt dafür, dass ein bestimmtes Eiweiß produziert wird. Und dieses wiederum kontrolliert in Mehrstufenprozessen die Herstellung verschiedener Bestandteile der Zelle. Da auch verhältnismäßig einfache Teile recht viele Herstellungsschritte benötigen, verwundert es nicht, wenn das Erbgut für die Produktion vieler verschiedener Zellbestandteile sehr kompliziert sein muss.
 
Einzelne Eiweiße kontrollieren sogar die Herstellung unterschiedlicher Zellbestandteile. Das sieht auf den ersten Blick wie eine Vereinfachung aus, kompliziert die Verhältnisse aber genau genommen noch weiter, da so recht unübersichtliche Verzweigungen entstehen. Aber eine Vereinfachung brachte die Entdeckung von Beadle und Tatum immerhin: Jedes Gen sorgt für die Produktion genau eines Eiweißes.
 
Auch die Entdeckung des Genetikers Joshua Lederberg kann man mit einem solchen markanten Satz umschreiben. »Bakterien vererben die für ihre Lebensprozesse notwendigen Informationen ähnlich wie höhere Organismen.« Auch bei diesen Mikroorganismen geben also Gene alle wichtigen Daten für den Aufbau einer Zelle an die nächste Generation weiter.
 
Bakterien ähneln höheren Organismen sogar noch stärker als ursprünglich angenommen. So kennen sie auch eine Art sexueller Vererbung, bei der die Erbinformationen verschiedener Organismen vermischt werden, beobachtete Lederberg. Daran beteiligt sich allerdings vor allem ein Teil des Erbguts, der nicht zum normalen Repertoire der Zelle gehört. Vielmehr befindet sich dieser Teil als großes Ringmolekül an anderer Stelle in der Zelle und kann unabhängig vom normalen Erbgut weitergegeben werden. Plasmid nennen Molekularbiologen dieses später entdeckte Ringmolekül, das ein zentraler Bestandteil der so genannten Gentechnologie wurde.
 
Auch in anderer Hinsicht hat sich Lederberg um diese Technologie verdient gemacht: Bringt man kleine Stückchen Erbinformation in die Zelle ein, wird diese bisweilen in das normale Erbgut eingebaut und an die Nachkommen weitergegeben. Solche Zusatzgene verändern das Aussehen der Bakterien. Lederberg hatte mit dieser Beobachtung den ersten Schritt hin zur Gentechnologie gemacht, die aber erst 20 Jahre später Schritt für Schritt in den Laboratorien der Welt Fuß fasste.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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